Oberfränkische Wirtschaftsanalyse II

Im Fernsehen scheffeln schneidige Showmaster Unmengen von Kohle, indem sie sich mit ihren Gästen in geschliffenen Redeformen erkiesen. „Küss die Hand, gnädige Frau!“ schlägt „Alda Schrulln, wos machst denn du do?“ um Längen. Jedoch: Feinheiten wie diese sind in unseren gastfreundlichen Häusern im und ringsum den urtümlichen Frankenwald schon von alters her bekannt. Mir sen ja aa net auf der Brennsubbm daherg’schwumma!

Die Bedienung in so einem dörflichen Landgasthof ist höflich, heißt oftmals Marga, Rosi oder Hanna, hat eine saubere, weiße Schärz’n um und wirbelt im Regelfall unermüdlich zwischen Küchenausgabe, Schänke und Gasttischen umher, dass es ein Erlebnis ist ihr dabei zuzuschauen.

Am Wochenende oder in der Urlaubssaison ist das so. Unter der Woche geht die Bedienung auf ihre normale Arbeit im örtlichen Subbermarkt oder steht ganz im Dienst ihrer Familie. Für die Gästebetreuung im Wirtshaus, besser Landgasthof sind dann Wirtin oder Wirt, Oma, Oba oder Dande zuständig, und so kommt der Zufallsgast gleich in den Vorzug eines vollwertigen Familienanschlusses. Freundlichkeit pur.

Sprachliche Geheimnisse aufzuschlüsseln macht Freude. Zuvörderst aber stellt sich der Dialekt wie ein regionales Artikulationsmonster vor den fremden Besucher. Der wird bei näherem Hinhören zwar umgehend feststellen, dass er sich im Land zwischen Fichtelmountains und Frankonian Switzerland einfacher versteht als in der Dominikanischen Republik. Gut beraten aber ist der, der vorab einen Schnellkurs in oberfränkischer Wirtshauskommunikation durchzieht.

So ist man dann sogar für den Fall der Fälle gerüstet: Dienstag mittag kurz nach vierzehn Uhr irgendwann im Schönwettermonat August, Knappeintausendseelendorf am Rande des Frankenwaldes, Brauereireklame „Landgasthof Einkehr Zur Linde“, blattbegrünter Fünftische-Biergarten vor der halb offenen Eingangstür, dahinter Blick in ungewisses Dunkel, ein Emaillehänger am Fenster „Gutbürgerlicher Mittagstisch. Montag Ruhetag.“

Der Wagen hält auf dem gastronomieeigenen Parkplatz. Aussteigen und Durchatmen. Variierende, vibirierende Landluft. Innenhof, Scheune, leere Garagen. Ein Hauch Schweröl. Anonymes Hühnergackern, Spatzen tschilpen, irgendwo tuckert ein Bulldog. Paradiesische, oberfränkische Ruhe.

Man schlendert vor das Haus in den Schatten des belaubten Methusalems und lässt sich genüsslich nieder: Klappsitzmöbel Baywa 70er Modell. Moosgrüne Schaumstofftischdecke, Salz- und Pfefferstreuer, Bestecke vier, jeweils eingewickelt in obligate Standardserviette auf einem Kuchentellerla, Windlicht im Glas, blauglasierter Aschenbecher mit nicht näher genannter Raiffeisenbankwerbung.
Paradiesische, oberfränkische Ruhe. Ein paar Bienen summen vorbei, eine Hummel. Ein Taubengeschwader pfeift über das gegenüberliegende Scheunendach. Der Motor einer Kühlanlage setzt ein. Die Post fährt, dahinter ein heller Kleinlaster, verliert sich irgendwo weit weg. Himmlisch, diese Ruhe.

„Ob da überhaupt jemand zu Hause ist? Ich seh doch mal nach!“ Der Gast überlässt seine Gästin dem Schutz des Lindenbaumes und betritt das ungewisse Dunkel eines oberfränkischen Landgasthofhausplatzes. Es duftet köstlich und leicht nach Butterschmalz und parfümierter Schmierseife. Links kleines Nebenzimmer, leer. Holzstiege nach oben, geschlossene Tür mit Schild „Küche“ geradeaus, links daneben Schild WC mit Pfeil in den Gang. Ah ja, das wäre soweit geklärt. Die Butzenscheibentür mit der Aufschrift „Gaststube“ öffnet sich nahezu von selbst.

-psg-

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