
Das Bierfest in Kulmbach oder, wie es offiziell heißt, die Kulmbacher Bierwoche ist vor dem weltpan(dem)ischen Ausnahmezustand einmal eine Institution gewesen und bekannt im gesamten Universum. Neun Tage lang Ende Juli/Anfang August feierten zigtausende Menschen aller Nationen miteinander in einem riesengroßen Zelt auf dem Zentralparkplatz, ließen es sich gutgehen bei Bier, Brodwäschd, Haxen, Gögerla und zünftiger Musik – diese tagsüber gesittet blasmusikalisch, und wenn’s dann dunkel wurde, ging’s auf zur großen Party. Man fühlte sich wie auf einer überdimensionalen Familienfeier, und das ohne Lichterlarifari und Fahrgeschäfte. Eine ureigene Stimmung war dem Bierfest zu eigen, und es wäre schön, wenn sich die Menschen hier bald wieder zusammenfinden (dürfen).
Mich hat unser Lokalsender „Radio Plassenburg“ im Jahr 2008 mal gebeten, mit ein paar Versen ein paar Tage lang unsere „Kulmbacher Festspülwoche“ zu begleiten, was ich dann natürlich gerne machte.

Etz hommersch widder, endlich, Leit
Die hochgepries’ne Bierfestzeit
In Kulmboch trifft sich – ei wie schee
Des G’schwertel wie die Hautevolée
Wobei me manchmal scho sinniert
Wer wohl zu welchem Kreis gehört
Wer sich seh’n lass’n muss, is klor
Des is die Politiker-Schor
Grad heier sen sa drauf wie wild
Und gier’n nach jedem Pressebild
Da stört im Zelt kein Tabakrauch
Hauptsach’, am Foto sen’s mit drauf
Nächt’s Johr is mit’m Raang vorbei
Des Zelt Rauch- und Politikerfrei
Weil letztgenannte alles machen
Was ihnen die aus Brüssel sagen
Und ganz annersch wie bei die Franzus’n
Flattern unnera Öbern gleich die Hus’n
Ja wie man hört, sind EU-Götter
In punkto Alkohol auch schon am Wettern
Drum liebe Brauer, scheut keinen Betrag
Und macht mit den Herr’n, die da so plärr’n
Endlich einen Beratervertrag
Hätten die Tabakfirmen des aa su gemacht
Dann juckert’s ka Sau, wenn im Bierzelt aans raacht

Es gibt ein Fest in Oberfranken
Da fall’n so manche Ansichts-Schranken
Und das, was man ansonst beschwört
Das wird ins Gegenteil verkehrt
Das Bierfest ist es, wo des stimmt
Dass mancher seltsam sich benimmt
Des fängt scho be der Musik on
Sogar die Disco-Generation
Die Spack’n mit die Baseballkapp’n
Die sichst auf Klostertaler rapp’n
Und wenn sa des Frankenlied mitsinga
Frogst dich, wu die den Text her kenna
Su mancha do durchs Zelt flanier’n
Die kenna sonst bloß feina Zwir
Oder Jeans, ganz sportlich und lässig leger
Etz muss a Lederhus’n fürs Bierfest her
Bloß: Wenn mer die Spargel-Hax’n von denen su sieht
Denkst, dass do a Storch im Solotbeet stitt
Wer Angst vor Peppen hat, den kümmert’s auf amol net mehr
Der saift im Gegenteil die ganz Moß vom Nochbern leer
Und Leut, die Dir sunst des ganz Johr über recht widrig
Röhr’n dich on: Alter Freund, host a Biermarken übrig?
Zem Bierfest erlebst wos, ob’s dich ärgert oder freit
Und nooch zwaa Moß Festbier sen ganz annersch die Leit
Von a’m Bierfest-Boykott, do is längst mehr ka Red’
Es wird halt nur der g’sehn, der nei’n Bierstadel geht

Wer einzeln oder regelmäßig
Im Bierzelt hockt, braun oder käsig
Der waaß, die dritt Mooß stelln’s der grodner no’
Da meldet sich die Blos’n o’
An gscheiten Schluck, den nimmsta nuch
Dann stemmst da dich su langsam huuch
Kontrollblick links, rechts – kurzes Päusla
Wo ist die kürzeste Distanz aufs Häusla
Do rammt dich gleich der erschta o’
Entschuldichung, mei guter Mo’:
Meeensch!!! Bist duuuu net … ???? Schnell seilst dich ab
Denn dei‘ Haltezeit, die wird so langsam recht knapp
Mit knapp drei Meter in aaner Minut’n
Tust du dich hin Richtung Zeltausgang sputen
Und an die dreißig Bekannte host bestimmt a Johr nimmer g’sehn
Obber jetz ausgerechnet kumma sa alla dir entgeg’n
Ja Servus, wie geht’s? Langsam werst ball verrückt
Wal dir außer der Blos’n etz aa nuch des Hinterteil zwickt
Jetz endlich bist draußen, deine Schritt dom sich dehna
Du sichst kanna Leut mehr, bluß die graua Container
Die erschten zwaa vull, im dritten stist endlich drinna
A Plotz wär’ nuch frei, doch du brauchst a Kabina
Und on jedem Türdrücker is su a tiefroter Balken
Du werscht ball verrückt, wie lang ko’st des nuch halten?
Ja – so manch Augenblicke im Leben sind hart
Bestes Beispiel: Wenn me beim Bierfest vor der Häuslestür wart

Ein Bierfest-Utensil, was fast jeder heut hat
Des is ein Digital-Fotoapparat
Be die an is es im Handy gleich mit installiert
Annera hom sich mit dem Ding zusätzlich ausstaffiert
Denn mit dia Chipspeicher konnst knipsen wie bleed
Do brauchst keinen Film, Hauptsach, die Batterie geht
Alla Forzläng ziecht aaner neber dir su a Ding aus der Tasch’n
Und stellt sich die annern nein Weg, um Aufnahmen zu machen
Dass die Bedienungen mosern, ist des klensta Problem
Des größera is: Derf und mit wem derf mer Dich seh’n
Denn der Trampel, der laufend die Welt fotografiert
Der stellt seina Bilder ins Internet garantiert
Schaust an schöna Madla nooch, dokumentiert des des Bild
Sieht des beim Surfen dei Herzblatt, dann werd die fuchsteufelswild
Amend trinkst grod ve aaner Moß, dann freit sich die Polizei
Winkt dich bei der nächsten Alkoholkontroll garantiert aa freindlich verbei
Und wennst vielleicht kronk g’schrieb’n bist, freit sich dei‘ Chef garantiert
Dass du auf eig’ne Kosten dich im Bierzelt kurierst
Obber dann, aufm Internet-Foto sichst erscht, wer wor hinter dir g’we’n
Dunnerwetter, den Brauereivertreter hosta net g’sehn
Du ärgerst dich narrisch, und des Foto grinst dich oo
Host widder a Biermarken verschenkt, guter Mo’
Ganz ehrlich: Der Frust, der dich überfällt, der wär nie passiert
Hätt des Orschluch nebe dir dich net fotografiert
No ja – wenigstens host du bei dem ganzen Schlamassel noch Glück
Auf kan Foto mit dir ist jemand drauf aus der Politik

Des Kulmbacher Bierfest ist ein Mega-Event
Drum kumma aa die Grußköpf aufs Bierfest gerennt
Besonders vor Wahlen wie etz zu der Zeit
Do sichst in der Zeitung dann die wichtigen Leut’
Die do wor’n im Bierzelt mit unnera kommunalen Größen
So a regionale Verbindung ist scho immer wichtig gewesen
Schwarz, Rot, Grün und Frei, Liberal, Ökologisch
Schwitzen bei Temp’raturen weit jenseits von tropisch
Dass die Klimaerwärmung bei manchen dann zum Gesprächsthema wird
Des is logo, wenn mer hockt und wie a Sau transpiriert
Und die Umweltverschmutzung wird auch zum Problem
Spätestens dann kummt mer drauf, hot me den Dreeck unterm Biertisch mol g’seh’n
Was beim Bierfest die Politik in der Praxis erfährt
Des is mehr als hunnert Expertengutachten wert
Dass zum Beispiel der Volksvertreter den größten Beifall kriecht
Der an Bund mit Biermarken aus seiner Tasch’n rausziecht
Oder der Kandidat, der aa nuch a fünfta Moß verträgt
Vo dem soong sa, der hält sich bestimmt aa in München net schlecht
Wennst als Wahlbewerber bluß neischaust, werst vom Volk unbedarft
In nullkommanix als Stimmenfechter und Blender entlarvt
Drum sollt der, der im Bierstadel be die Leut wirbt um Stimmen
Am besten sich vorm Bierfest auf die Dörfer in die Wärtshäuser trimmen
Was den Neb’neffekt hätt, dass er do aus erschter Hand
Erfahr’n tät, was werklich die Leut woll’n und brauch’n do im Land
Ober wer macht des scho ve dia oberg’scheiten Neua
Lieber zutzeln sa Wasser im Zelt – Leut: Auf die könna mer uns freua!

Leicht rauszufinden is des scho’
Wer am Tooch vorher auf’m Bierfest wor
Denn wennst da mit an red’st ganz gäh
Dann frogt der dich fortlaufend: Hä?
Wos host da g’sogt? Ich hör heit schlecht!
Du ahnst warum, es is scho recht …
Vom Nochmittog, do konn’s net saa
Denn die Musikvereine, unnera
Hörscht bloß auf knapp an Kilometer
Desweg’n macht kaaner a Gezeter
Doch dann, ob sechsa, do git’s auf
Do schmeiß’n sa zehn Pfund nuch drauf
Aus Kulmbach tönt’s bis Wilmerschreith
Ein Prosit der Gemütlichkeit
Und o die Fischweiher be Unterstanich
Tanz’n Hey Baby alla Kranich
An Vorteil hat’s im Hintergrund
Me waaß, wu nochts der Wind herkummt
Doch je mehr Mooß, umso lauter werd’s
Do frogst dich manchmol: Braucht’s die Ferz?
Nächsten Tooch nooch’n Zelt, do bist halbdaab
Und zitterscht nuch wie Eschbeslaab
Ka Wunder, wenn sich die Frag’ aufdrängt
Ob Biergenuss mit die Ohr’n z’amm hängt?
Aus dem Grund hat der Bierfestsima dann
Das Ganze noch mal nachgeforscht:
Die Ohr’n hänga mit Bier insofern z’amm
Als d‘ zur Bedienung halt sog’n musst „Ich hob an Dorscht!“

Wer sich ins Bierfestzelt begibt – ganz klar
Tut das in jedem Fall auf eigene Gefahr
Denn was an Risikovielfalt da lauert
Wird täglich von Fachleuten untermauert
In Zeitung, in Fernseh’ und Radio
Geb’n die Experten mit ihrer G’scheitheit o’
Ze allem hom sa wos zu sog’n
Die letzten Fitzerla genga sa wos on
Musiklautstärk’, Bierverzehr, Tabak und Essen
Die Fotzereien wer’n aa net vergessen
Höchststudiert breit’n sa jed’s Problem vor dich hi’
Ben dritten Sotz tut der Orsch dir scho wieh
Die wahren Gefahren, die’s beim Bierfest gibt do
Do ham doch dia Fachleut ka Ahnung devo’
Dass der die Aug’n rausfall’n könnt’n be dia schön’ Dekolletés
Dass da erstick’n könnt’st, hot’s zuviel Pfeffer om Kees
Bem Rettich essen hot sich mancher scho g’scheit nei die Zunga gebiss’n
Des sen wirklicha Bedrohungen, vo denen dia Experten nix wissen
Es gäb doch viel Wichtigeres, wo die Leut nach Ratschlägen hechten
beispielsweis a Unterweisung im Biermarken fechten
oder wie mer sei eig’na Moß om Tisch so verdeckt
dass net jeder, der grod Dorscht hot, sein Rüssel neisteckt
denn genau die Studierten, die sunst alles monier’n
tun sich beim Freibiersaufen am wenigsten genier’n
Nächsten Tooch brummt dann der Schädel, des Hirn is wie leer
Do brauchst dich net frog’n, wo kummt des Expertengewaaf her

-psg-