Die Natur hilft sich selber
G’scheite Leut’ ham mir überall auf der Welt. Die sehr gescheiten unter ihnen haben wir allerweil im Fernsehen, wenn es – weniger oft – im Hochsommer dreißig Grad hat und es dann vierzehn Tag lang am Stück keinen Tropfen regnet (Thema: Kriegen wir eine europaweite Versteppung?) oder wenn es – mehr oft – im Hochsommer zwölf Grad hat und es dann vierzehn Tag lang am Stück viele Tropfen regnet (Thema: Kriegen wir eine neue Eiszeit?).
Die am meisten gescheiten im Fernsehen sind dann die, die den sehr gescheiten Löcher in den Bauch fragen über etwas, worüber beide eigentlich nur Vermutungen anstellen können. Weil sie, genau genommen, alle zwei nix Genaues zu sagen haben, weil man ja nix Genaues weiß. Das ist auch das einzige, was da wirklich genau gesagt werden kann.
Den am meisten gescheiten ist das Wetter daheim wurscht. Weil wenn der Himmel länger als drei Tage ausschaut wie das Gesicht vom Finanzminister, geben sie ihren Perserkater in die Obhut eines hauptamtlichen Tiersetters, s(i)msen kurz nach ihrem Reitpferd und nehmen dann ihre Exquisa-Card und fliegen auf Ibiza oder in die Dominikanische, weil man sich da mit keinem Bauern über das Wetter unterhalten muss. Höchstens man kommt im Ferienclub mit einem holländischen Gurkenmulti ins Gespräch, auf englisch freilich.
Dadurch erweitert sich der Horizont für die nächste Gesprächsrunde, wenn man nach einer sonnig heißen Strandwochen wieder im verregneten Arbeitsland ist und die nächste Seschn durchzieht.
Denn neue „Nijus“ gibt es wieder genug. Die hat eine taffe Jungredaktion gemacht – teils tirolernussölgebräunt vom letzten Snowboardweekend am Gerlosgletscher, teils g’sund kellerweiß im Gesicht wie ein Tiefgaragenpförtner – die sich im Interesse eines fing pardon fundierten Schurnalismus überall durchworschtelt.
Fünftausend amerikanische Endzeitfilmschinken wurden auf verwendbare Informationen überprüft, ab welcher Regenmenge eine Bigbrasserserie zum Bau der nächsten Arche sich lohnt. Nostradamus und der bayerische Hias avancierten zur Pflichtlektüre, Heimatkalender und Hundertjährige Kalender stapeln sich in den Gängen. Adressen wetterfühliger Lüneburger Heideschäfer waren zeitweise begehrter als die private Telefonnummer von Verona Feldbusch, Mundartdolmetscher für das ländliche Deutschland nur noch mit Tagessalären ab Honorarprofessurenhöhe zu bekommen.
Nun ist alles bereit und gepauert für die nächste Expertenrunde. Moderation, Wetterredaktion. Zwei eigentlich voll ausgebuchte Metereologiestudenten, weiblich und männlich, hat man vor acht Tagen noch ansprechen und im letzten Moment mit der Aussicht auf spätere Festanstellung hierher bewegen können. Der achtzigjährige, sturmgegerbte Regenweissager von der Schwäbischen Alb bestand auf Abholung durch Mercedes Adenauer mit Schafför, was noch die leichtere Übung war.
Als schwieriger erwies es sich die hühneraugengeplagte Erbtante des Programmchefs zur Mitwirkung zu bewegen, da diese nach eigenen Aussagen mit dem Sender nichts am Hut hat, aber ihre Hühneraugenprophetie gilt als äußerst zuverlässig. Das Politikertrio galt es nur kurz anzurufen, da deren Terminkalender sich eh nach dem Fernsehen richtet. Wirkungsvoll verteilt im Publikum gastieren außerdem –logen aus unterschiedlichsten Bereichen (des ganza Gschwertl halt, wie der einfache Frankenwälder zu sagen pflegt). Und einen Landwirt hat man auch eingeladen.
Das alles geht dir so durch den Kopf und kriegst du anfangs noch mit, während du dich auf deinem Schesslong wochentagsabends für zwei gemütliche Fernsehstunden einrichtest, ein Seidlein Bier angezapft, die Erdnüssla in Reichweite und die Fernbedienung zur Hand, um, falls es langweilig wird, gleich weiterzappen zu können. Wenn dich das traurige Sommerwetter net selber so ärgern würde, hättest du gar nicht die Sendung eingeschaltet und lieber Kolambo ang’schaut, aber so? Amend erfährt man ja was, was man noch net waaß.
Nach zwei Minuten oder fünf, mehr weißt du nicht, ist es spätestens soweit, dass du selber wegzappst und dich irgendwo in einem Traumland zwischen Sonnenstränden und einem Meer voller Bikinischönheiten wiederfindest. Schöner kann Sonne nicht sein und schöner kann es überhaupt nicht sein, bis auf einmal weit draußen vom Meer ein Piratenschiff kommt und sein Kanonendonner dich vor Schreck in die Höhe hupfen lässt. „Wos, wos, wos’n lus?“ „A Gewidder hommer“, meint lapidar die Beste von allen, die gerade das Wohnzimmerfenster zumacht. „Gschloofn host.“
Der Fernseher läuft noch. Werbung. Aus. „Host du dir des mit dem Wetterzeuch ong’schaut?“ – „Naa, ich ho dann umg’schalt’, des wor mer ze bleed.“ – „Worum?“ – „No ja, die do ven Fernseh hot ja geto’, als wenn morng die Welt untergengert. Bluß wals etzert amol verza Dooch reengt. Letzt’n Summer hot’s noch g’haaßn, alles werd därr, bluß wals amol vier Woch’n hinterenanner schee wor.“
In dem Moment denk ich an den Großvater, der immer davon gesprochen hat, wie sie auf den Mainwiesen beim Heu machen einmal mitten im August von einem Schneeschauer überrascht wurden. Oder wie sie Anfang Januar hemdsärmlig kilometerweit auf den Tanz gingen bei schönster Wärm’ und gschwitzt ham wie die Narrn. Dass es Sommer und Winter gab, die welche war’n und solche, die keine war’n. Und dass ihm der Sturm damals hinter dem großen Stodl den schönsten Nussbaum umgeworfen und das halbe Haus abgedeckt hat.
Draußen blitzt und donnert es – und es reg’nt, schon wieder und fei g’scheit. Wie aus Kübeln. So einen Reg’n hätt’n mir letzt’n Summer notwendig gebraucht. Dann wär des Garten gießen net so teuer kumma. „Des derf ruhig nuch aweng reenga“, hör ich die Beste von allen. Ich mein’ das auch, und von mir aus kann’s die nächsten vier Wochen so bleib’n. Des Wasser brauch’n mer. Der Großvater hat immer g’sagt:„Die Natur hilft sich selber!“
Trotzdem – die Meinung vom Bauern im Fernseh’ zum Wetter hätt’ mich schon aa int’ressiert.
-psg-