“Hätten Sie gerne ein Haferl?”
Es ist passiert! Mitten im tiefsten Oberfranken! In einem fränkischen Wertshaus! Da wo der Ziebeleskees genauso auf der Speisenkarte steht als wie die Forell’n, die Roulad’n ebenso und die „Currywurst mit Pommes“ für Gäste mit gelben Nummernschildern am Auto (wir Franken mögen ja auch Holländer, solange die sich nicht ihre eigenen Maddjes im Zehnlidderaamer von daheim mitbringen).
Als Einheimischer schaust du dir die Speisenkarte allerdings selten an, wenn du bloß zum Kaffeetrinken mit der Schwiechermudder fährst. Denn dass es einen Keeskuung und eine Käse-Sahne und Sträubela gibt, das siehst du auf der schwarzen Schiefertafel über der Theke angeschrieben, und was sonst noch im Angebot ist, das siehst du an den Spuren auf der Tischdecken, wenn du a weng später dran bist.
Also hockst du, froh gestimmt mit Schwiechermama und Fraa, in der Stumm, rustikal getäfelt und möbliert, und die Bedienung steuert auf dich zu. „Güd’n Daach, was daaf isch bring’n?“ Zweimal Schwarzwälder laut Tischdecken und einmal Keeskuung, und Kaffee freilich. „Was häddn Sie denn geane? Dasse, Gännschn oder Haferl?“
Ein Oberfranke, der zum ersten Mal diese bayerische Trinkporzellanbezeichnung „Haferl“ aus volksnachbarlichem Mund hört, kriegt entweder vor Schreck einen Schluckauf oder er hupft laut prustend aus dem Fenster. Aber wenn die Schwiegermutter dabei ist, darfst du dir keine Blöße geben. Also dreimal Gännschn – Verzeihung – Kännchen.
Trotzdem: Wie die Bedienung abgedampft ist und weil grad eine Speisenkarte auf dem nächsten Tisch liegt, langst du hinüber und machst sie interessehalber auf. Getränke. Und jetzt haut es echt die Katz ve der Budnstiech: Steht doch wirklich „Haferl“ do drinna! Ein Haferl Kaffee! Und das in einem oberfränkischen Gasthaus – oberfränkische Küche, oberfränkisches Bier, oberfränkische Fensteraussicht, sächsische Servicekraft: Ein Haferl Kaffee! Haferl!!
Geistesabwesend siehst du die Schwiechermama in ihrer Tasche nach Kölnischwasser und Tempos suchen: „A weng blass schaut er aus, dei Moo!“ „Ich waaß aa net, wos er hot … brauchst vielleicht a Häfferla Wasser?“
Das holt dich wieder auf den Boden der fränkischen Wirklichkeit zurück. A Häfferla … Das ist Franken! Das ist Heimat! Dasse, Gännschn: Franken können so etwas tolerieren, wenn auch mit gewissen Einhörungsschwierigkeiten – aber Haferl? Das einzige, was im Fränkischen ähnlich klingt, ist Haferlesschuh’, aber in einem solchen ist deines Wissens nach noch nie ein Kaffee serviert worden.
Innerlich durch die Worte deiner Frau in deiner Überzeugung gestärkt, nimmst du dir vor an die Theke zu gehen, um den Wirt auf seinen eklatanten Lapsus in der Speisenkartenausarbeitung hinzuweisen.
Du ergreifst das Kunstleder, ziehst noch einmal tief Luft ein und deine Augen gehen für ein kurzes Stoßgebet Richtung Himmel. Helf mer, bitte! Da erschlägt dich im Blickfeld eine Aufschrift – an der Tür zum Nebenzimmer auf einem Holztäfela angebracht, elegant rustikal und künstlerisch perfekt ziseliert: „STÜBERL“.